Deutliche DB-Kritik an SRB Kiel

Nachdem ein „extrem ärgerlicher“ Rechenfehler im Gutachten zur Stadt-Regional-Bahn (SRB) Kiel entdeckt wurde, geht die Landeshauptstadt optimistischer in das anstehende Spitzentreffen zur Zukunft des Großprojektes. Im Vorfeld hat sich DB-Manager Arnecke ungewöhnlich offen dagegen ausgesprochen und favorisiert den S4-Ausbau. LVS-Chef Wewers lehnt es hingegen ab, Einzelprojekte und damit Regionen gegeneinander auszuspielen.

Am Mittwoch, 12. September, wollen das SPD-geführte Verkehrsministerium in Kiel und die Landesweite Verkehrsservicegesellschaft (LVS) gemeinsam mit Kiel und dem Umland über die Realisierung der Stadt-Regional-Bahn (SRB) Kiel verhandeln. 
Die Kosten des Großprojekts hat das Gutachterbüro Spiekermann auf 382 Mio. EUR veranschlagt. Alle Überlegungen fußen darauf, dass das Projekt aus dem GFVG-Bundesprogramm 60 % Zuschuss erhält.
Die „Dänen-Ampel“ in Schleswig-Holstein ist laut Koalitionsvertrag zusätzlich bereit, ihren Anteil von 15 auf 25 % aufzustocken.
Doch trotzdem hapert es noch im Umland, etwa in Neumünster, an der erforderlichen Finanzierungsbereitschaft. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass das GFVG-Bundesprogramm 2019 ausläuft.

Doch die Befürworter können mit guten Nachrichten in das Spitzengespräch ziehen. Land und Kommunen brauchen nur 14,6 Mio. EUR an jährlicher Belastung zu stemmen, statt 23,1 Mio. EUR, wie bislang angenommen.
Grund ist ein erst in der Vorbereitung des Treffens entdeckter Formelfehler in der Gutachterberechnung, wie die Grünen im Kieler Rat mitteilen. Ihr Parteifreund Bürgermeister Peter Todeskino bezeichnete den Fehler gegenüber den „Kieler Nachrichten“ als „extrem ärgerlich“. Er hofft nun, dass sich das Umland offener zeigt.
Das Projekt ist auch in der Branche umstritten. LVS-Chef Bernhard Wewers hat die SRB als „sinnvoll“ eingestuft. Er möchte sie „genauso wie die ebenfalls sinnvolle S4“ realisieren und nicht eine Region gegen die andere ausspielen. „Beide Projekte sind wichtig, wenn wir mehr Fahrgäste für den Nahverkehr gewinnen und dem Auto Marktanteile abnehmen wollen“, schreibt Wewers im Hausmagazin „Nah.SH“. 
Dagegen lehnt DB-Regio-Manager Kay Uwe Arnecke die SRB ab und macht sich ausdrücklich für die in seinen Zuständigkeitsbereich fallende S4 stark. Der Manager forderte, ebenfalls in „Nah.SH“, die schleswig-holsteinische Landesregierung auf, ihre Infrastrukturpolitik auf Maßnahmen zu konzentrieren, „wo aus dem zusätzlichen Nutzen eine hohe Wirtschaftlichkeit erwächst“.
Der Chef der Hamburger S-Bahn begrüßt daher das Bekenntnis der Koalition unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) zur Fehmarnbeltquerung und zum Ausbau der DB-Strecke von Hamburg nach Ahrensburg und Bad Oldesloe zwecks S4-Verlängerung.
Weitere Großprojekte aus dem Koalitionsvertrag seien jedoch „nicht nachvollziehbar“, schreibt Arnecke. In diese Kategorie ordnet er die Elektrifizierung der Marschbahn und die Reaktivierung der Eisenbahnstrecke Niebüll – Flensburg ein, vor allem aber „das offenbar unsterbliche Projekt“ einer SRB in Kiel. „Warum sollte mit vielen hundert Millionen Euro ein Verkehrsproblem gelöst werden, das gar nicht existiert?“
DB-Bus-Manager Alexander Möller, für den Norden und damit auch für die schleswig-holsteinische Autokraft zuständig, stimmt seinem Kollegen teilweise zu. Auch aus seiner Sicht wurde der Nachweis, dass sie SRB verkehrlich geboten sei, „noch nicht erbracht“, erklärte er auf Anfrage. „Gerade in Schleswig-Holstein müssen finanziell ambitionierte Projekte, auch wenn sie der Infrastruktur und damit der Entwicklung des Landes gut tun sollen, priorisiert werden“, fordertt er. „Erst das Notwendige, dann das Wünschenswerte.“
Denn dr öffentliche Straßenpersonenverkehr (ÖSPV) im Lande sei chronisch unterfinanziert, was Mittelständler ebenso wie kommunale oder DB-Töchter betreffe. Möller plädiert daher dafür, künftig „größer“ zu denken: „Was für einen Verkehr wie organisiert mit welchen Verkehrsmitteln wollen wir? Und vor allem: Was will der Kunde?“
Gegenüber dem „Holsteinischen Courier“ hat Möller an die SRB-Befürworter zuvor appelliert, auch die Auswirkungen auf vorhandene Verkehrsbetriebe „wie zum Beispiel die KVG (Kiel, d. Red.) und die Plöner Verkehrsgesellschaft (VKP, d. Red) zu prüfen“. DB Autokraft wird in dem Zitat zwar nicht benannt, aber auch ihre vermutlich ertragreichen Umland-Verkehre nach Kiel hinein wären beim Bau der SRB enorm betroffen.
Neben der DB hat sich auch der Omnibusverband Nord (OVN) überaus deutlich gegen eine millionenschwere Stadt-Regional-Bahn Kiel (SRB) ausgesprochen. Dieses „Prestigeprojekt“ werde unweigerlich Mittel aus der Regionalbusfinanzierung abziehen und damit die Menschen in demographisch schwächeren Regionen weiter benachteiligen, lautet die Befürchtung (ÖPNV aktuell 61/11).

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