DB-Aufsichtsratsvize Kirchner für offene Diskussion über S21
Im Vorfeld der Sondersitzung des DB-Aufsichtsrats zum Projekt Stuttgart 21 blockieren sich Gegner und Befürworter weiter. Das Aktionsbündnis gegen S21 hat die DB-Manager Grube und Kefer angezeigt. Der EVG-Vorsitzende Kirchner schätzt die Chance der Tunnellösung auf nur noch 50/50 und warnt vor einem zehnjährigen Stillstand.
Ausgerechnet am gestrigen Rosenmontag hat das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 zwei DB-Vorstände wegen Betrug und Untreue angezeigt.
DB-Chef Rüdiger Grube und Infrastrukturvorstand Volker Kefer hätten ihre Pflichten durch „Unterdrückung wahrer Tatsachen und durch Täuschungen grob verletzt“, argumentieren die Gegner gegenüber der Staatsanwaltschaft Berlin.
Sie stützen ihre Darstellung auf den in der letzten Woche bekannt gewordenen Vermerk aus dem Bundesverkehrsministerium (BMVBS), das dem Projekt hohe Risiken und eine weitere Zeitverzögerung attestiert (ÖPNV aktuell 10/12). Dieses Dokument belege, dass die beiden Manager schon im Juli 2012 von den drohenden Kostensteigerungen wussten, ohne den Aufsichtsrat zu informieren oder die Auftragsvergabe zu stoppen.
Information seien zudem verschleppt worden, um die zum 9. September erfolgte Vertragsverlängerung mit Kefer nicht zu gefährden. In diesem Zusammenhang sprechen die Projektgegner von „Bereicherungsabsicht“.
Weiterhin wirft die Strafanzeige den DB-Vorständen vor, sie hätten dem Aufsichtsrat sowie den Vertragspartnern ein Jahr lang ein kritisches Rechtsgutachten verschwiegen.
Der Passauer Professor Urs Kramer war im Auftrag von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zum Ergebnis gelangt, dass das Gleisvorfeld des Kopfbahnhofes nach § 11 und §23 nicht einfach stillgelegt werden dürfe, mithin der Verkauf der Flächen an die Stadt Stuttgart unzulässig sei.
Ähnlich argumentiert die Stuttgarter Netz AG gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) (ÖPNV aktuell 78/12). Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat das Dossier aus seinem Haus inzwischen als „alten Hut“ mit „Einzelmeinungen aus der unteren Ebene meines Ministeriums“ tituliert. Die angebliche Distanzierung des Bundes von dem Projekt sei jedenfalls „Quatsch“.
Doch offensichtlich scheint ein Baustopp im Aufsichtsrat ernsthaft erwogen zu werden – und eventuell auch ein Umdenken in der Bundesregierung eingesetzt zu haben.
Der Gremienvizevorsitzende und Vorsitzende der Bahngewerkschaft EVG, Alexander Kirchner, schätzte die Realisierungschancen gestern früh im „Deutschlandfunk“ auf nur noch 50/50 ein.
Er appellierte daher an den Bund, sich als Eigentümer und im Aufsichtsrat klar zu positionieren. Kirchner fühlt sich nach eigener Darstellung über die Risiken gut informiert, insbesondere nachdem der DB-Vorstand „im letzten Monat … über die prekäre Situation der Kostensteigerung ausführlich informiert“ habe.
Dennoch seien noch nicht alle Fragen beantwortet. Zwar wolle der DB-Vorstand weiterbauen. Doch dies könne er nur, wenn Eigentümer und Aufsichtsrat dies vorsähen und genehmigten. „Und hinter diesem Kurs stehen wir in dieser Form nicht“, ergänzte der Aufsichtsratsvize. „Ein Augen-zu-und-durch kann es auf keinen Fall geben.“
Kirchner plädierte an alle Beteiligten, auch die Kosten eines Ausstiegs zu betrachten. In diesem Fall sei aber mit einem Scherbenhaufen zu rechnen, der für die Bahnentwicklung in Stuttgart und die Region zehn weitere Jahre Stillstand bedeute. „Und auch damit müssen sich die Projektpartner befassen.“
Kirchner mahnte die Projektpartner: „Niemandem ist geholfen, wenn das Projekt scheitert und am Ende dort nur ein Scherbenhaufen liegt und die Bahn sich auch in diesem Bereich in den nächsten Jahren kaum entwickeln kann.“
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