„Wir brauchen Kommunikation, die Menschen bei der Veränderung begleitet“

Juliane Vettermann; Foto: Christian Hüller
Frau Vettermann, wie haben Sie als Teilnehmerin das Forschungsprojekt erlebt?
Juliane Vettermann: Es war schon ein außergewöhnliches Projekt, das Theorie und Praxis auf eine Weise zusammengebracht hat, die ich in meinen 20 Jahren Berufserfahrung noch nicht erlebt habe. Wir hatten Wissenschaftler*innen aus vier Disziplinen, Praxispartner*innen aus der gesamten Verkehrsbranche und ein tolles Moderationsteam von Lots*. Die Impulse der Forschenden waren sehr bereichernd, auch wenn wir anfangs eine Übersetzungsleistung zwischen „Forschersprech“ und Praxisalltag leisten mussten. Daraus ist am Ende ein interessanter „Eintopf“ geworden, der allen Beteiligten schmeckt.
Hatten Sie während des Projekts Aha-Erlebnisse?
Vettermann: Ja, sogar sehr viele. Erstens: Kommunikationsstrategien als fortlaufenden Prozess anstatt einmaliger Kampagnen denken, die Ansprache so gut wie möglich individualisieren und auf die Bedürfnisse der Menschen ausrichten. Zweitens: Die Zielgruppe der Kommunikation ist eben nicht nur der Fahrgast als Endkund*in, sondern auch viele andere Stakeholder*innen, die frühzeitig eingebunden werden müssen und die man manchmal nicht auf dem Schirm hat. Nehmen wir beispielsweise Busfahrer*innen: Wenn ein Busfahrer nicht überzeugt ist, wird er die Vorteile eines neuen Verkehrsnetzes oder Angebots auch nicht den Fahrgästen vermitteln. Und drittens: Feste Budgets für die Erfolgsmessung einplanen – die regelmäßige Evaluation ist unabdingbar, um den Erfolg oder Anpassungsbedarf sichtbar zu machen.
Was ist aus Ihrer Sicht das zentrale Ergebnis des Projekts?
Vettermann: Zum einen die Erkenntnis, dass es mehr branchenweite und übergreifende Ideen und Projekte wie dieses benötigt – und die Bereitschaft, sie auch zu realisieren. Zum anderen haben wir es geschafft, unsere Erkenntnisse in ein greifbares Ergebnis zu überführen. Das erarbeitete Framework ist eine konkrete, kompakte Anleitung für die Praxis. Es ist wissenschaftlich fundiert, aber so heruntergebrochen, dass es direkt anwendbar ist. So etwas gab es in dieser Form vorher nicht.
Welchen Rat möchten Sie Kolleg*innen aus der Branche geben?
Vettermann: Es braucht intern das Verständnis, dass Kommunikation mehr ist als bunte Bilder und Slogans. Sie muss Menschen beim gesamten Veränderungsprozess begleiten. Das ist natürlich aufwendig. Gerade in Zeiten knapper Ressourcen darf jedoch nicht an der strategischen Kommunikation gespart werden, denn sie ist zentral für den Markterfolg und die Akzeptanz nachhaltiger Mobilität. Wie geht es für Sie und den MDV weiter? Vettermann: Wir haben bereits erste Workshops geplant, um das Wissen und den Ansatz intern zu verankern. Ziel ist, das Framework in geeigneten Projekten auszuprobieren, zu lernen und dieses Wissen anschließend weiterzugeben.