Vesputi-Gründer Frank: „Für Verkehrsbetriebe einfach ein zusätzlicher Vertriebskanal“

Linus Frank ist Mitbegründer und Geschäftsführer des Start-ups Vesputi; Bild: Vesputi

Wenn etwa Flug-Reisende schon über ihre Airline ein Nahverkehrs-Ticket mitbuchen können, sei es deutlich wahrscheinlicher, dass sie vor Ort den ÖPNV nehmen, statt in ein Taxi zu steigen, sagt Vesputi-Gründer Linus Frank im Gespräch mit dem NaNaBrief. Das 2016 gegründete Leipziger Start-up will eine Brücke schlagen zwischen global tickenden Plattformen und dem „lokal zergliederten“ ÖPNV. Der Ticketverkauf über Dritt-Apps dürfe dabei nicht als Konkurrenz verstanden werden. Vielmehr ließen sich neue Kundengruppen ansprechen und dadurch letztlich zusätzliche Einnahmen ins System spielen. Die Fragen stellte NaNa-Brief-Redakteur Dominik Heuel.

NaNa-Brief: Herr Frank, ÖPNV-Tickets auch über Drittanbieter wie Hotelketten oder Airlines verkaufen – was genau ist die Geschäftsidee von Vesputi, welche Lücke haben Sie damit im ÖPNV-System gefunden, die Sie mit Ihrem Angebot füllen wollen?

Linus Frank: Die Idee für unser Produkt Mobilitybox folgt im Grunde daraus, dass sich einerseits die Märkte mit Mobilitätsbezug immer weiter vernetzen. Eine Sixt-App bietet auch einen Tier-Scooter an, oder bei booking.com kann ein Mietwagen mitgebucht und ein Taxi bestellt werden. Mit dem ÖPNV-Ticketing hingegen fehlt bislang diese Vernetzung. Der Unterschied dieser Dritt-App-Anbieter zum ÖPNV liegt darin, dass sie nicht wie der Nahverkehr lokal zergliedert sind. Eine Buchungsplattform, ein Fernverkehrsanbieter, der von einer in die andere Stadt fährt, eine Airline, die an verschiedenen Flughäfen landet, funktioniert nicht wie der ÖPNV nur bezogen auf eine Stadt oder Region. Das heißt, kaum ein Hotelbuchungsportal wird für die Ticket-Einbindung eines einzelnen Verkehrsbetriebs sein Entwickler-Team, das vielleicht noch in den USA sitzt, aktivieren. Diese Unternehmen denken in Ländern, eher in Kontinenten, und sie benötigen einen flächendeckend standardisierten technologischen Zugangspunkt zum ÖPNV.

NaNa-Brief: Wer genau sind Ihre Vertragspartner und worin besteht das konkrete Produkt?

Frank: Wir haben auf der einen Seite die Verkehrsbetriebe als Partner, die mit uns einen Vertrag schließen, der uns erlaubt, Vertrieb für sie zu machen. Wir betreiben ein Hintergrundsystem, das aktuell Tickets auf dem VDV-eTicket-Standard ausgibt. Perspektivisch bilden wir weitere Standards wie etwa UIC ab. Wir können also für die Verkehrsbetriebe konkret Tickets ausgeben. Und auf der anderen Seite ist unser eigentliches, an die Dritt-Unternehmen gerichtetes Produkt ein Entwicklerportal, das diese Kunden, also App-Anbieter wie Airlines oder Hotelketten, für die Einbindung der Tickets nutzen können – ein konkretes Beispiel ist etwa a&o Hostels.

NaNa-Brief: Sie treten also nicht mit eigenen Endanwendungen in Erscheinung?

Frank: Richtig, es ist tatsächlich das Hintergrundsystem, das es ermöglicht, beispielsweise im Hostel-Buchungsprozess neben etwa Frühstück oder Kinderbett eben auch ein ÖPNV-Ticket für die jeweilige Stadt auszuwählen. Bezahlt wird dann im einheitlichen Prozess zusammen mit dem Hostelzimmer im Paket. Im digitalen Reisegästebuch in der a&o-App ist das Ticket dann hinterlegt.

NaNa-Brief: Damit dürfte es vornehmlich um Einzeltickets gehen, die direkt etwa nach einem Flug genutzt werden, oder spielen auch Abo-Tickets eine Rolle?

Frank: Ursprünglich sind wir mit Einzel- und Tagestickets gestartet. Heute vertreiben wir auch das Deutschlandticket beziehungsweise die Jobticket-Variante.

NaNa-Brief: Wie weit sind Sie mit der Abdeckung – regional und in der Verkehrsbranche?

Frank: Die Plattform ist aktuell in Deutschland funktionsfähig, die Abdeckung ergänzen wir immer weiter durch einzelne Verkehrsbetriebspartner. Im VRS arbeiten wir beispielsweise mit der Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft und im VRR mit der SWK MOBIL aus Krefeld zusammen. Große Plattformen wie booking.com oder eine Airline wünschen sich natürlich eine möglichst große Abdeckung. Das heißt, unser Ziel ist es, möglichst weitflächig Einzel- und Tagestickets mit anbieten zu können – und perspektivisch das Angebot auch europaweit auszurollen. Vorerst starten wir in Deutschland, sind aber in Österreich und der Schweiz bereits in vertieften Gesprächen.

NaNa-Brief: Wie werden die Fahrgeldeinnahmen abgewickelt?

Frank: Da gibt es keine Abweichungen von den bestehenden Prozessen. Es läuft ähnlich ab, als würden die Verkehrsbetriebe, die immer der Kundenvertragspartner sind, das Ticket in einem Verkaufskiosk oder in ihrer eigenen App verkaufen. Der Verkehrsbetrieb erhält den vollständigen Ticketpreis, das Geld fließt ganz normal in die Einnahmeaufteilung. Von uns erhält der Verkehrsbetrieb dafür die Informationen, um die Einnahmen zu melden.

NaNa-Brief: Kann es über die Dritt-Portale Abweichungen beim Ticketerlös geben – etwa durch den Bündelungseffekt?

Frank: Nein, nicht tarifseitig. Wir bewegen uns aus Sicht des Verkehrsbetriebs auch für die Tickets, die über uns laufen, immer im Rahmen der Tarifbestimmungen. Diese Pflicht geben wir an die Partner weiter. Was die Unternehmen aber machen dürfen, ist, dass sie Tickets bezuschussen, etwa im Rahmen einer Werbekampagne. In diesem Fall muss dies klar ausgewiesen werden. Es erscheint dann in der Partner-App der Ticketpreis, verbunden mit dem Hinweis, dass er vom Unternehmen beispielsweise mit 50 Cent bezuschusst wird. Ein Punkt, der für den ÖPNV aus meiner Sicht hoch spannend ist. Denn es kommt jemand, der über eine hohe Reichweite verfügt und über eine Kampagne, die er selber bezahlt, Budget vorhält, um den Service ÖPNV zu bewerben.

NaNa-Brief: Was sind die Vorteile für beide Seiten, Drittanbieter und ÖPNV-Akteure?

Frank: App-Betreiber profitieren davon, standardisiert über einen Zugangspunkt mit einem Vertrag den ÖPNV flächendeckend voll integrieren zu können. Wenn App-Betreiber einen Komplett-Service bieten wollen, der auch Mobilität umfasst, dann ist der ÖPNV eigentlich ein ‚Muss‘, da dies einfach der größte Transportmarkt ist und auch der nachhaltigste. Manchmal gibt es die Vorstellung, dass da jemand Geld aus dem ÖPNV rauszieht. Das ist aber gar nicht deren Interesse. Den Plattform-Anbietern geht es um besseren Service und um zufriedenere Kunden dadurch, dass sie das Komplett-Paket buchen können und dadurch womöglich auch wiederholt buchen. Es ist keine Konkurrenz für die lokale Verkehrsanbieter-App. Und die Verkehrsbetriebe können neue Fahrgäste gewinnen. Es gibt ja eine große Finanzierungslücke im ÖPNV. Mehr Leute durch vereinfachten Zugang in den ÖPNV zu bringen, ist aus meiner Sicht ein Baustein zur Lösung dieses Problems. Wenn jemand nach Deutschland fliegt und er direkt zum Flugticket das passende ÖPNV-Ticket für die Stadt mitbuchen kann, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass er in den ÖPNV steigt und das Geld nicht für ein Taxi ausgibt. Das ist für die Verkehrsbetreiber einfach ein zusätzlicher Vertriebskanal.

NaNa-Brief: Welche Kosten entstehen durch den Einsatz Ihrer Schnittstelle und wer von den Parteien trägt sie letztlich?

Frank: Wir wollen uns absetzen von klassischen Geschäftsmodellen im ÖPNV, die meist hohe initiale Kosten verursachen. Wir brauchen natürlich einen Grundbetrag, um die Plattform zu betreiben und das Vertriebsnetzwerk aufzubauen. Der ist tatsächlich sehr gering und bewegt sich in einem dreistelligen Bereich pro Monat, den das Verkehrsunternehmen zahlt. Auch für den jeweiligen Ticketverkauf benötigen wir eine gewisse Kostenkompensation, die etwa Payment-Vorgänge abdeckt. In Summe liegen die Kosten nach unserem Kenntnisstand unter den branchenüblichen hausinternen Kosten.

NaNa-Brief: Zahlt auch das Drittunternehmen für die Nutzung der Mobilitybox?

Frank: Es gibt sehr verschiedene Anwendungsfälle bei unseren Partnern. Entsprechend sind die Modelle unterschiedlich. Ziel ist immer, ein Modell zu finden, das für alle Parteien sinnvoll ist. Es kann für uns etwa auch von Vorteil sein, wenn Kunden mit einer großen Reichweite diese auch für den ÖPNV nutzen. Wenn wir hingegen für ein großes Portal auch mehr Integrations- und Unterstützungsleistungen erbringen und vielleicht noch Kunden-Support hinzukommt, den wir mit abdecken, ist das natürlich zu finanzieren.

NaNa-Brief: Sind Partner immer überregional agierende Plattform-Unternehmen? Oder kann ein Verkehrsunternehmen auch selbst gezielt lokale Partner einbinden?

Frank: Im Kern spricht unser Angebot zwar Unternehmen an, die eine flächendeckende und standardisierte Lösung suchen, die Plattform funktioniert aber natürlich auch lokal. Was immer öfter vorkommt, ist, dass ein Verkehrsunternehmen zum Beispiel den lokalen Fußballklub ins Boot holt und der Klub ÖPNV-Tickets direkt in seiner eigenen App anbietet. Auch dafür kann unsere Plattform genutzt werden. Und auch für ihre On-Demand-Services oder die Einbindung von Bikesharing-Apps wollen Verkehrsbetriebe die Schnittstelle immer öfter nutzen.

NaNa-Brief: Ein Blick in die Zukunft: Wo könnte technologisch oder von den Anwendungsfällen die Reise bei der Weiterentwicklung Ihrer Schnittstelle hingehen?

Frank: Ein großes kurzfristiges Thema ist das Mobilitätsbudget. In Unternehmen werden Budgets für verschiedene Mobilitätsarten an die Mitarbeiter ausgegeben. Damit sind dann teilweise auch steuerliche Abläufe zu lösen, etwa die Integration in die Lohnbuchhaltung. Mit dem D-Ticket Job kann das Budget nun auch standortübergreifend und mit dem ÖPNV voll integriert angeboten werden. Hierfür arbeiten wir bereits mit einigen Mobilitätsbudget- und Benefitanbietern zusammen und sehen großes Potenzial für den ÖPNV. Weitere Stichworte aus technologischer Perspektive sind das Account Based Ticketing oder der Luftlinientarif, bei denen teils erst nachträglich bestimmt wird, wie viel zu zahlen ist. Auch hierfür müssen wir unseren Hintergrund weiterentwickeln.

NaNa-Brief: Und zur Geschäftsentwicklung – verdienen Sie schon Geld, oder befinden Sie sich in einer Hochlaufphase?

Frank: Es ist uns mittlerweile gelungen, uns vollständig auf die Plattform-Entwicklung unseres Produktes zu fokussieren und keine Projekte mehr umzusetzen. Dadurch sind wir auch mit einem kleinen Team sehr effizient und haben eine geringe Kostenstruktur. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass wir dabei sind, ein gesundes, nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln. (dhe)

Teilen
Drucken

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben