„Autonomes Ridepooling wird sich in Europa vor allem als Teil des öffentlichen Nahverkehrs etablieren“

Sascha Meyer ist seit August 2022 CEO von Moia, dessen Führungsteam er bereits seit 2017 angehörte. Zuvor war Meyer als Unternehmensberater tätig Foto: Moia

Vom 15. bis 18. Juni 2025 findet in Hamburg der UITP Summit statt, der „Weltgipfel“ des öffentlichen Nahverkehrs. Zum lokalen Ausrichterkonsortium gehören die Hamburger Hochbahn und der VW-Ridepooling-Anbieter Moia. Beide Unternehmen arbeiten an der Markteinführung autonomer Shuttles, die Hochbahn auch am automatisierten U-Bahn-Betrieb. Im Interview mit dem NaNa-Brief blicken Robert Henrich, Vorstandsvorsitzender der Hochbahn, und Sascha Meyer, CEO von Moia, auf den UITP Summit voraus und berichten über den aktuellen Stand ihrer Projekte. Die Fragen stellte Manuel Bosch.

NaNa-Brief: Herr Henrich, Herr Meyer, wer von Ihnen wird als erster eine Flotte autonom fahrender Shuttles in Hamburg im Fahrgastbetrieb haben?

Sascha Meyer: In Hamburg gehen wir diesen Schritt in Kürze: Mitte des Jahres wollen wir unsere bereits laufenden internen Tests für erste externe Fahrgäste öffnen. Diese ausgewählten Nutzer können dann Fahrten mit dem ID. Buzz AD buchen und sich im Testgebiet wie gewohnt an ihr Ziel bringen lassen – mit dem Unterschied, dass die Fahrzeuge selbstständig fahren. Den Personenkreis werden wir dann schrittweise erweitern.

Robert Henrich: Der Holon Mover wird ab Sommer in den Erprobungsbetrieb gehen und in Hamburg fahren. Anfang nächsten Jahres starten wir dann mit dem Testbetrieb für eine geschlossene Nutzergruppe. Bis zu 15 Fahrgäste finden dann in dem Fahrzeug Platz. Wir sind gespannt, wie die Resonanz sein wird.

NaNa-Brief: Der „Hamburg-Takt“, also ein öffentliches Mobilitätsangebot innerhalb von fünf Minuten im gesamten Stadtgebiet, ist das politische Leitbild für ihre Aktivitäten. Wie stellen Sie sicher, dass sich die Angebote von Hochbahn und von Moia so ergänzen, dass dieses Ziel auch wirklich erreicht wird?

Henrich: Unser Ziel, in Hamburg ein Drittel aller Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, ist ambitioniert und erfordert eine enge Zusammenarbeit aller Verkehrsunternehmen im Hamburger Verkehrsverbund sowie weiterer Mobilitätsanbieter. Die einfache Nutzung geteilter Mobilitätsangebote über unsere Plattform HVV Switch ist entscheidend für unsere Fahrgäste. Gleichzeitig verbessern wir unser Angebot durch den Ausbau von U-Bahn und Bus, um ein dichtes, zuverlässiges und attraktives Netz zu schaffen. Zusammen mit weiteren Angeboten der Shared Mobility schaffen wir den Rahmen, dass der eigene Pkw entbehrlich wird. Der Erfolg hängt davon ab, die Bedürfnisse unserer Kunden mit den verkehrlich Machbaren in Einklang zu bringen und alle digitalen und analogen Möglichkeiten zu nutzen, um ein umfassendes Mobilitätserlebnis zu bieten.

Meyer: Der Hamburg-Takt ist ein kundenzentriertes Versprechen an die Hamburgerinnen und Hamburger: ein hochverfügbares, öffentliches Mobilitätsangebot für die gesamte Stadt. Autonomes Fahren ermöglicht diesen politisch gewünschten Ausbau des Nahverkehrs, ohne dass zusätzliche Infrastrukturinvestitionen nötig sind. Es bringt geteilte Mobilität effizient und kostengünstig in die Fläche und ergänzt den ÖPNV dort, wo klassische Linienverkehre an ihre Grenzen stoßen – etwa in Randzeiten oder weniger dicht besiedelten Gebieten. Gleichzeitig kann autonomes Fahren langfristig den Fachkräftemangel im ÖPNV abmildern, der sich durch den demografischen Wandel weiter verschärfen wird. Eine enge Abstimmung der Angebote schafft die Synergien, um den Hamburg-Takt gemeinsam Realität werden zu lassen.

NaNa-Brief: Welche Rolle spielt neben dem planerischen und betrieblichen Aspekt dabei die Kundenschnittstelle, also die Auskunfts- und Buchungs-App?

Henrich: Die HVV Switch-App bündelt bereits zahlreiche Mobilitätsdienstleistungen und ermöglicht eine flexible Nutzung verschiedener Verkehrsmittel. Dadurch gewährleisten wir eine hohe Benutzerfreundlichkeit und maximalen Komfort, um den Zugang zu unseren Angeboten für Fahrgäste so unkompliziert wie möglich zu gestalten. Ergänzt wird dies durch Echtzeit- und Störungsinformationen, die eine optimale Planbarkeit sicherstellen.

Meyer: Mit der HVV Switch-App wird den Hamburgern bereits heute eine Plattform geboten, auf der klassische ÖPNV- und andere Sharing-Angebote gebündelt werden - ein konsequenter Schritt hin zu einem umfassenden und digital verfügbaren Mobilitätsangebot innerhalb Hamburgs. Moia war bereits 2020 das erste Unternehmen, das neben dem Hochbahn-Angebot auch die HVV Switch-App in die Tiefe integriert hat. Mobilität ist ein alltägliches Verhalten, das die Verbraucher nicht ohne Grund in Frage stellen. Kurzum: Am Ende entscheiden die Kunden, welche App sie für welchen Wegezweck nutzen.

NaNa-Brief: Herr Henrich, trotz aller Individualisierung und Personalisierung bleiben die klassischen Massenverkehrsmittel U-Bahn und Bus ein Rückgrat des öffentlichen Verkehrs auf den stark nachgefragten Hauptachsen. Automatisierung soll auch hier helfen, die Kapazität zu erhöhen und Takte zu verdichten. Wo stehen Sie bei der Automatisierung der U-Bahn?

Henrich: In Hamburg setzen wir mit der vollautomatisierten U-Bahnlinie U5 neue Standards für die Mobilität. Mit einem 90-Sekunden-Takt werden täglich etwa 270.000 Fahrgäste transportiert und ein modernes öffentliches Verkehrserlebnis geschaffen. Darüber hinaus setzen wir im Bestandsnetz auf Automatisierung und führen mit dem Projekt U-Bahn100 die Teilautomatisierung der U-Bahnlinien U2 und U4 durch. Nach der Fertigstellung noch in diesem Jahrzehnt wird die Kapazität auf der gesamten Linie um 50 Prozent erhöht. Das und die enge Taktung machen das Gesamtsystem noch attraktiver.

NaNa-Brief: Die neue U5 ist in der Planung, abschnittsweise bereits im Bau, trotzdem wird es wohl noch 15 bis 20 Jahre dauern, bis sie vollständig in Betrieb ist. Haben Politik und Bevölkerung einen solch langen Atem?

Henrich: Großprojekte erfordern Zeit – und die U5 ist ein echtes Jahrhundertvorhaben. In Hamburg genießt der Bau der U5 breite politische Unterstützung, was zu einer modernen, zukunftsorientierten Metropole passt und dem Selbstverständnis der Hansestadt entspricht. Durch den Bau in Etappen, der Teilinbetriebnahme und die Anbindung an das bestehende Netz wird die neue U-Bahnlinie schnell erleb- und nutzbar. Der erste Abschnitt, der Bramfeld mit dem Borgweg verbindet, soll bereits ab 2033 in Betrieb gehen und bislang schlecht angebundene Gebiete durch neue Umsteigemöglichkeiten an das bestehende Netz anschließen. Ein ähnliches Vorgehen ist auch westlich der Alster geplant, wodurch viele Menschen schon früh von schnelleren Verbindungen profitieren können. Langfristig wird die U5 den öffentlichen Nahverkehr deutlich verbessern und erweitern – ein Vorhaben, das sich für alle auszahlen wird.

NaNa-Brief: Was bedeutet der UITP Summit in diesem Zusammenhang für Ihr Unternehmen, die Hamburger Hochbahn?

Henrich: Der UITP Summit ist der größte internationale Kongress für nachhaltige Mobilitätslösungen weltweit. Hier treffen sich Vertreter aus Politik, Industrie, Wissenschaft, Forschung und Verkehrsunternehmen, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Die Erfahrungen und Innovationen, die auf dem Summit präsentiert werden, können unsere Projekte bereichern und unsere Strategie für den öffentlichen Nahverkehr sowohl in Hamburg als auch in ganz Deutschland beeinflussen.

NaNa-Brief: Herr Meyer, was war für Moia die Motivation, sich am Konsortium zur Ausrichtung des UITP Summit in Hamburg zu beteiligen?

Meyer: Moia steht für innovative, nachhaltige Mobilität in Städten und arbeitet partnerschaftlich mit Nahverkehrsunternehmen zusammen. Der UITP Summit ist die wichtigste internationale Plattform für den Austausch über die Zukunft des öffentlichen Verkehrs. Als in Hamburg ansässiges Unternehmen war es für uns naheliegend, uns hier aktiv gemeinsam mit unseren Partnern einzubringen und zu zeigen, wie autonomes Ridepooling als Teil des ÖPNV funktionieren kann.

NaNa-Brief: Erleben Sie die Offenheit zur Einbindung Ihrer Dienste in ein öffentliches Gesamtangebot auch anderenorts?

Meyer: Ja, wir führen bereits Gespräche mit verschiedenen Städten und Verkehrsunternehmen, die autonome Mobilität als Teil ihres öffentlichen Mobilitätsangebots etablieren möchten. Der Trend geht klar in Richtung integrierter, digital gesteuerter Mobilität – in Ergänzung zu den klassischen Linienverkehren. Es gibt international großes Interesse an unserer Technologie und unserem Know-how.

NaNa-Brief: Sie wollen sich bei künftigen Projekten auf die Bereitstellung eines Gesamtsystems aus Fahrzeug und Software fokussieren. Was führt Sie zu dieser Entscheidung?

Meyer: Wir haben mit der Einführung des Moia-Lizenzmodells auf Signale aus dem Markt reagiert. Städte in ganz Europa haben ambitionierte Klimaschutzpläne und verkehrspolitische Ziele. Sie wollen, dass autonome Mobilität dazu beiträgt, den Verkehr effizienter und klimafreundlicher zu gestalten. Dafür nehmen Städte die Planung und Steuerung ihrer Mobilität selbstbewusst in die Hand und gestalten die lokale Einbettung von neuen Mobilitätsservices durch Ausschreibungen. Autonomes Ridepooling wird sich in Europa vor allem als Teil des öffentlichen Nahverkehrs etablieren. Die lokalen Nahverkehrsunternehmen verfügen über die nötige Erfahrung im Betrieb von Flotten und bestehende Infrastruktur. Sie können daher den Betrieb übernehmen. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Das autonome Fahren wird die Wirtschaftlichkeit von Ridepooling verbessern und gleichzeitig das Angebot flexibler und günstiger gestalten.

NaNa-Brief: Worauf freuen Sie beide persönlich sich am meisten, wenn Sie auf den UITP Summit im Juni vorausschauen?

Henrich: Zunächst freue ich mich sehr, dass die Hochbahn gemeinsam mit ihren Partnern den UITP Summit in den Jahren 2025 und 2027 ausrichten wird. Besonders ist, dass der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) seine Jahrestagung zeitgleich und eng verzahnt mit dem UITP Summit veranstalten wird. Dies ist ein beeindruckendes Signal an die gesamte Branche, nach Hamburg zu kommen und unsere nationalen Herausforderungen gemeinsam mit unseren internationalen Fachkolleginnen und Kollegen zu diskutieren. Ich freue mich auf die zahlreichen Begegnungen, fachlichen Vorträge und Diskussionen, die in dieser Konstellation entstehen werden.

Meyer: Ich freue mich auf den Austausch mit Mobilitätsentscheidern aus Politik, Verbänden und Unternehmen aus der ganzen Welt. Der UITP Summit ist eine einmalige Gelegenheit, über die Herausforderungen und Chancen urbaner Mobilität zu diskutieren – und natürlich darauf, unsere Lösung für autonome Mobilität vor einem internationalen Publikum präsentieren zu können. (mb)

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