Autonome Linienbusse: Händeringend erwartet

„Abfahrt in Kürze“: Bei Columbuss in den Niederlanden geht es um „COnnected Level 5 UnManned BUSeS“. Neben FS Busitalia Qbuzz ist auch der Rotterdamer Verkehrsbetrieb RET involviert. Dort geht es nun Schlag auf Schlag. Für 2025 hat RobotTuner einen Level-5-Test in einem RET-Depot geplant. Spätestens 2026 soll ein Level-5-Feldtest auf besonderer Fahrspur erfolgen; (msa) | Foto:RET

Noch sind Robotaxis und selbstfahrende Shuttles kein Alltag im ÖPNV. Auf diese vermeintlich lukrativeren Segmente konzentrieren sich die Anstrengungen der Industrie. Doch die Branche drängt nun immer stärker auf den nächsten Schritt: die Entwicklung des „gesellschaftlich relevanteren“ autonomen Linienbusses. Busitalia hat den langen Weg bereits begonnen, in seinen Depots in den Niederlanden.

Spätestens in zehn Jahren müsse autonomes Fahren das „new normal“ im Nahverkehr werden, „eine Standardlösung für den täglichen ÖPNV-Betrieb“, wie Hochbahn-Chef Robert Henrich in Hamburg bei diversen Auftritten im Rahmen des UITP-Weltkongresses und der VDV-Jahrestagung betont hat.

Dabei müssten „echte Busse automatisiert werden, nicht nur Passagierautos, nicht nur kleinere Shuttles“. Letztere seien nicht das Segment mit der größten Relevanz für die Gesellschaft, sagte Henrich auf dem UITP-Forum zu autonomer Mobilität am 17. Juni 2025. Es gelte vor allem, die schon heute großen Fahrgastzahlen zu stemmen. In vielen europäischen Städten sei zusätzlich geplant, „noch viel mehr Passagiere zu befördern, ohne neue Kosten für den ÖPNV-Betrieb zu verursachen“.

Hamburg etwa hat sich eine Fahrgaststeigerung um 30 Prozent bis 2035 verordnet. Dazu seien, rechnet Henrich vor, nach derzeitigen Maßstäben zusätzliche 350 Busse und rund 1000 weitere Fahrer nötig. Die finde man kaum. Die Zusatzkosten taxiert der Hochbahn-Chef auf 100 Millionen Euro jährlich. „Wir müssen also neue Wege finden, um den Busbetrieb effizienter zu machen.“

Aus technischer bzw. Markt-Sicht peilt Henrich in drei bis vier Jahren kommerziell verfügbare Roboshuttles und Robo-Midibusse an. Das Hochbahn-Testprojekt „3 plus 3“ dazu startet bereits 2026 (NaNa-Brief 26/25). Robo-Busse in der Standardgröße von zwölf Metern erwartet Henrich „vielleicht etwas später“.

Die Hochbahn ist jedenfalls laut Henrich bereit, große AV-Straßenfahrzeuge „zu kaufen und einzusetzen, so schnell wie möglich und in großer Zahl“. Dazu gebe es ein „klares Agreement“ mit der Stadt. Das sei ein Signal an die Industrie, nun nachzuziehen. Beginnen wolle man „vielleicht zunächst mit drei oder fünf Bussen für den Regelverkehr, um zu sehen, wie sie performen, wie haltbar sie sind, wie weit die Technologie wirklich ist“.

Großbusse: Herausforderung für Industrie – Adastec ab 2026 mit Anwendungsfall in Deutschland

Johann Jungwirth ist bei der israelischen Mobileye für den gesamten Bereich des autonomen Fahrens verantwortlich, mit dem Ziel, Level-5-Produkte auf den Markt zu bringen. Für die Industrieseite beteuerte er auf dem Podium, man könne mit der Hochbahn bzw. der Branche künftig auch bei „Fahrzeugen wie Zwölf-Meter-Bussen – 2,20 Meter hoch, 2,50 Meter breit“ –zusammenarbeiten. Allerdings sei ein solcher, verglichen mit einem Robotaxi und Roboshuttle, „ein etwas anderes Fahrzeug mit teilweise anderen Anforderungen“ an das autonome Fahren. Beispielhaft nannte er Kreisverkehre und Kreuzungen.

Mobileye arbeite jedoch „mit verschiedenen Partnern weltweit zusammen, um zu liefern“. Projekte im mittleren Segment bis 15 Passagiere sieht Jungwirth als Brücke zur Standardlänge. Anhand der aktuellen Projekte werde man sehen, „was dann auch im Linienverkehr möglich ist“, so Jungwirth. Den Testbeginn der Holon-Shuttles in Hamburg könne die mitbeteiligte Mobileye kaum erwarten.

Ganz dem autonomen Fahren der großen Busse hat sich Adastec verschrieben. Zwischenzeitlich hätten etliche von dem Istanbuler Unternehmen mitausgerüstete Projekte das Pilotstadium verlassen, sagte der kaufmännische Geschäftsführer Ali Ihsan Danisman auf einem weiteren Fachpanel des UITP-Weltkongresses. Adastec liefere „kommerziell einsatzfähige Produkte, die in den ÖPNV integriert werden können“.

Neben Fahrzeugen für den gemischten Einsatz in Stadtverkehren werde es in naher Zukunft auch einen Anwendungsfall für den ländlichen Raum geben, wo insbesondere höhere Geschwindigkeiten zu bewältigen seien. Auch Projekte in Deutschland werde es schon 2026 geben.

Im Mai hatte etwa die Üstra für die Region Hannover angekündigt, „in Kürze“ mit einem von Adastec ausgestatteten „großformatigen“ autonomen Linienbus (daher der Projektname ALBus) im realen Straßenverkehr zu beginnen. Alle Genehmigungen zum Level-4-Betrieb mit Sicherheitsfahrer und technischer Aufsicht lägen vor. Bei ALBus auf der sieben Kilometer langen Linie 906 in der Kleinstadt Burgdorf kommt ein autonomer e-ATAK von Karsan zum Einsatz.

„Der beste Ort zum Loslegen ist das Depot“ – Regulierung und Geldmangel erschweren Entwicklung

Die Technik für große Busse zunächst im Depot zu erproben, empfahl auf dem UITP-Kongress Paolo Ghezzi, Technikchef von Busitalia, der Gummisparte der italienischen Staatsbahn FS. Die niederländische Filiale Qbuzz hat entsprechende Tests bereits durchgeführt. Dies erfolgte im Rahmen des Columbuss-Projekts der Provinz Groningen. Partner der öffentlichen Hand ist das Unternehmen RobotTuner, das auf Autopilot-Anwendungen, etwa für behindertengerechte Autos, spezialisiert ist.

Busdepots böten mit ihrer begrenzten Größe einen entscheidenden Entwicklungsvorteil, meinte Ghezzi. Die Fahrzeuge führen mit maximal 15 km/h. Auch seien die meisten Vorgänge auf dem Betriebshof Standardprozesse, etwa waschen, betanken und abstellen.

Das von Qbuzz genutzte System wurde sowohl in Elektro- als auch in CNG- und Dieselfahrzeugen getestet. „Wir müssen schließlich alle Busse im Depot bewegen“, erläuterte Ghezzi. Um die Flotte zum Autonomous Driving (AD) herzurichten, könne man alle Komponenten leicht am Markt bekommen. Das genutzte Open Source-System „Autoware“ ist nach seinen Angaben herstellerunabhängig.

Eine wichtige Erkenntnis aus „Columbuss“ ergab, dass sich durch die Automatisierung Arbeitszeit der Fahrer erübrigt und die Ersparnis in die Erholungszeiten einfließen kann. Das lindere den Fahrermangel. Ghezzi ist sich auch bereits sicher, dass die AD-Technik helfen werde, die in Depots sehr häufigen Unfälle zu vermeiden und die Schäden zu reduzieren.

Eine Zulassung für den autonomen Betrieb innerhalb des Depots benötigt Qbuzz zumindest derzeit nicht. Allerdings sei, unabhängig von den AD-Funktionen, eine Abnahme durch den Bushersteller erforderlich. Sollte ein so modifiziertes Fahrzeug auf einer öffentlichen Straße fahren, benötige man zusätzlich eine EU-Erlaubnis.

Offene Fragen gebe es auch noch mit den Versicherern für Busse mit AD-System. Hier sieht Ghezzi Europa im Nachteil zu anderen Weltregionen, wo weniger strikt reguliert werde. Das größte Hindernis für ein AD-Projekt wie „Columbuss“ ist aus Sicht des Busitalia-Managers „natürlich das Fehlen von Finanzierung“.Ziel sei nun, mit den gesammelten Erfahrungen im Bereich autonomer Busse auch über die Grenzen des Betriebshofs hinauszukommen, zunächst auf reservierte Fahrspuren, dann in den Mischverkehr. (dhe)

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