Schub für Wettbewerb in Italien
Der Wettbewerb im italienischen Personenverkehr auf Straße wie Schiene kommt voran – auch dank des Kartellamtes. Der Staatsbahn stellt sich auf der Fernstrecke immer mehr Konkurrenz entgegen. Im Gegenzug nimmt sie den ÖPNV in die Zange. Nach Florenz gerät Turin ins Visier. FS-Chef Moretti kündigt eine Weltallianz an.
Das italienische Kartellamt macht bei der Öffnung des Personenverkehrsmarktes Ernst: Die Italienische Staatsbahn (FS) soll 300.000 EUR Geldbuße zahlen. In einer abgestimmten Strategie soll der Konzern mit seinen Sparten RFI (Infrastruktur) und Trenitalia (Personenverkehr) seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und so den Wettbewerber Arenawys massiv behindert haben.
Wegen der Schwere der festgestellten Aktionen hätte die Buße viel höher ausfallen müssen, lässt die Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (AGCM) in einer Medienmitteilung vom Donnerstag erkennen.
Man habe jedoch den für alle Beteiligten noch vollkommen ungewohnten Rechtsrahmen mildernd berücksichtigt. Gleichwohl hat die auf Neu-Italienisch vorzugsweise „Antitrust“ genannte Behörde eine eindeutige „Warnung“ an die Staatsbahn ausgesprochen, sich mit vergleichbaren Aktionen erneut einer Marktöffnung in den Weg zu stellen.
Als weiteren Beteiligten benennt das Kartellamt den italienischen Bahnregulierer. Das Ufficio per la Regolazione dei Servizi Ferroviari (URSF) hatte in seinem allerersten Bescheid Arenaways die beantragten Zwischenhalte auf der Intercity-Verbindung Mailand – Turin versagt. Das geplante neue Angebot hätte andernfalls die gemeinwirtschaftlich bezuschussten Fernverkehre auf der Schiene gefährdet, hieß es.
Diese Einschätzung des Regulierers Behördenurteil fußte jedoch auf manipulierten FS-Darstellungen, resümiert die Kartellbehörde. Gleichzeitig habe Trenitalia zum Nachteil von Arenaways das eigen- wie gemeinwirtschaftliche Angebot ausgestaltet.
Der Netzbetreiber RFI schließlich habe die Trassenzuteilung über 18 Monate hingeschleppt. Jedes der drei Unternehmen trägt die Kartellbuße zu einem Drittel.
Die Kartellbehörde stellte eindeutig fest, „dass die FS mittels der kontrollierten Gesellschaften RFI und Trenitalia eine komplexe und einheitliche Strategie mit dem Ziel in Gang gesetzt haben, den Eintritt der Gesellschaft Arenwaways in den Schienenpersonenverkehrsmarkt zu be- und de facto auch zu verhindern“.
Bis heute steht der Intercity zwischen den Wirtschaftszentren Mailand und Turin auf der Wunschliste vom Arenaways. Doch dieser verzögert sich ebenso wie die Nachtzüge in den Süden (ÖPNV aktuell 63/12). Der von Giuseppe Arena gegründete und bis heute geleitete Fernzugbetreiber musste 2011 Insolvenz anmelden (ÖPNV aktuell 63/11). Inzwischen ist Arenaways als Marke der neuen Firma Go Concept auferstanden, dank der Investitionen des Schuhherstellers Del Gatto und des Logistikers Ambrogio Trasporti.
Unternehmerallianzen sind in der italienischen Marktwirtschaft üblich. Auch hinter dem FS-Wettbewerber Nuovo Trasporti Viaggiatori (NTV) steht ein Konsortium, dessen Gesellschafter stark in der Konsumgüterwirtschaft engagiert sind. Unter der Marke „Italo“ bietet NTV seit diesem Frühjahr Hochgeschwindigkeitsverkehre zwischen Mailand, Rom und Neapel an. Seit 1. August wird auch Salerno bedient. Stehen genug Alstom-Fahrzeuge zur Verfügung, soll die Linie nach Turin verlängert und ein zweiter Ast nach Turin eröffnet werden (ÖPNV aktuell 29/12).
Ab kommenden Montag will NTV seine Kunden in den bedienten Bahnhöfen in eigenen Reisezentren namens „Casa Italo“ bedienen. Für durchgehende Reiseketten sorgt eine Allianz mit dem Autovermieter Hertz: Er stellt „Italo“-Kunden in Rom einen „Elektro-Smart“ bereits ab 8 EUR/h zu r Verfügung.
Auf den sich entwickelnden Wettbewerb reagieren die FS. In ihrem Kerngeschäft haben sie den „Prezzo Mini“ ab 9 EUR eingeführt, um NTV Paroli zu bieten (ÖPNV aktuell 34/12).
Potenzielle Marktanteilsverlusten auf italienischem und europäischem Niveau will die Staatsbahn zudem durch Wachstum im ÖPNV begegnen, wie der Vorstandsvorsitzende Mauro Moretti kürzlich deutlich machte.
Nach dem erfolgreichen Einstieg in den Florentiner Stadtbusverkehr durch die Übernahme von ATAF-Anteilen (ÖPNV aktuell 56, 60/12) werde man sich auch an der anstehenden Ausschreibung um den Turiner Verkehrsbetrieb GTT beteiligen, sagte der Manager im Interview der (industrienahen) Tageszeitung „Il Sole/24 Ore“.
Die FS erwarten, dass die Haushaltskonsolidierung unter der Regierung von Mario Monti Leistungsverluste im SPNV nach sich ziehen, aber ebenso auch Ausschreibungen in weiteren italienischen (Groß-)Städten. Um diesem Trend zu begegnen und sich für die Entwicklung auf europäischer Ebene zu rüsten, will sich die FS als integrierter, intermodaler Verkehrskonzern aufstellen.
Mahnend verweist Moretti auf die „englische Schule“, wo eine ungezügelte Liberalisierung nicht nur zur Zerschlagung der großen Firmen in der Daseinsvorsorge geführt habe, mit weit reichenden Folgen für die Zulieferindustrie. Einen ähnlichen Wertschöpfungsverlust will er Italien ersparen.
Schon vergangenes Jahr haben die FS ihre Busholding Sita in einen Nordteil Busitalia und Sita Sud gespalten (ÖPNV aktuell 59/11). Zudem sammelt der Konzern über Netinera Erfahrungen im deutschen ÖPNV-Wettbewerb. „Wir wachsen, haben jetzt einen Marktanteil von 6 % bei Bahn und Bus“, sagte Moretti über die Beteiligung. „(Das ist) die Bestätigung, dass unsere Strategie der Internationalisierung richtig ist.“
Gleichwohl sieht sich der Topmanager nicht nur nach neuen Zukaufsoptionen um, „sondern auch einfach nach Partnerschaften, vielleicht mit einem weltumspannenden Thema, nicht nur einem europäischen“, wie er in dem INterview wörtlich ankündigte. Für Details sei es aber noch zu früh.